Das Hamburger Abendblatt gehört so gut wie schon sicher zur Verlagsgruppe Funke in Essen, nachdem der Springer-Verlag es nach dorthin verscherbelt hat. Und weil der Hamburger Verlagsleitung das vermutlich nicht gefällt, dachte man sich noch kurz vor der feindlichen freundlichen Übernahme eine unfreundliche Aktion aus, die den Titel tragen könnte: „Wie führen wir unsere Abonnenten an der Nase herum?“ Und wie das ausschaut, erkläre ich Ihnen im Folgenden:
Der Herr Verlagsgeschäftsführer Frank Mahlberg verschickt an die Abonnenten vom Hamburger Abendblatt ein Schreiben mit Plastikkärtchen und einem kleinen Folder. Und mit dem Kärtchen kann man Vorteile bekommen kaufen. Wobei es insgesamt vier Kärtchen gibt, die sich in vier Kategorien aufteilen, als dieses sind: “Klassik, Silber, Gold, Hanseat”.
Ich habe „Hanseat“ bekommen, die höchste Stufe der Kartenverleihung. Die gilt für 10 Jahre und länger, die man die Zeitung abonniert hat. Und ich habe, das gebe ich zu, das Hamburger Abendblatt schon so lange abonniert wie der Verlagsgeschäftsführer auf der Welt ist. Und welche Vorteile habe ich nun mit meinem hanseatischen Kärtchen…?
„Stilvoller Auftakt zum neuen TreueProgramm“: Ich darf am Tanz-in-den-Mai-Ball vom Hamburger Abendblatt im Hotel Atlantic Kempinski teilnehmen. Dort werden ich und meine Begleiter (bis zu 3 Personen dürfen mich begleiten) mit Sekt empfangen. Und wir bekommen ein 3-Gänge-Menu, Getränke, Live-Musik von den Soulisten, einen Showact von Stefan Gwildis und einen „leckeren Mitternachtssnack“. Und jeder Ticket-Inhaber nimmt „automatisch an einer Verlosung vor Ort teil“ – und darf sich schon heute Gedanken machen, was dort wohl verlost werden könnte.
So weit, so gut. Und bestimmt würden viele Abendblatt-Leser dieses Angebot gern annehmen, wenn es nicht einen Haken dabei gäbe, nämlich: Ich, als Inhaber der Hanseatik-Karte, muss 199 Euro für den Eintritt löhnen. Pro Person, versteht sich. Aber eben nur, weil ich die höchste Karte habe. Denn wer zum Beispiel die Treue-Karte “Klassik” hat, der muss pro Karte 249 Euro zahlen, was für zwei Personen rund 500 Euro bedeutet. In diesem Preis sind weder Übernachtungs- noch Taxikosten enthalten! Und die “Garderobe” kostet vermutlich auch noch extra.
Machen Sie doch mal die Augen zu und überlegen Sie, was Sie zu zweit mit 500 Euro an einem Abend in Hamburg alles erleben können, ohne Abonnent vom Hamburger Abendblatt zu sein!
Überaus witzig ist auch ein zweites Angebot:
Mit der höchsten Treuekarte bekommen die Abonnenten beim Hansa Varieté Theater in Hamburg 25 % Rabatt. Das klingt gut. Schlecht hingegen klingt: „Ihr TreueVorteil: 25 % Rabatt an der Abendkasse“, also dort, wo die Restkarten liegen. Und die Abendkasse öffnet eine Stunde vor Beginn der Vorstellung.
Meine Frau und ich waren kürzlich im Hansa Varieté Theater (super Programm übrigens!). Das war an einem Samstag. Und ich habe die Karten nicht an der Abendkasse gekauftt, sondern am Vormittag desselben Tages telefonisch bestellt. Und ich hatte Riesenglück: Noch zwei Plätze nebeneinander waren verfügbar. In der allerletzten Reihe. Ähnliches erlebten wir auch im vergangenen Jahr: Vormittags am Freitag telefonisch gebucht, zwei Plätze am Samstag bekommen – allerdings getrennt voneinander.
Nun stellen Sie sich mal vor, lieber Abendblatt-Abonnent, Sie wollen am Wochenende nett ins Hansa Varieté Theater gehen, wo Sie auch etwas essen und trinken können, kommen dort mit leerem Magen eine Stunde vor Beginn der Vorstellung an, freuen sich auf einen schönen Abend, zücken Ihr Hanseat-Kärtchen an der Abendkasse und …
…hören dann: „Sorry, leider schon ausverkauft – bis auf zwei Plätze, wo Sie etwas voneinander entfernt sitzen und getrennt trinken und essen können!“
Sind Sie auch Abonnent vom Hamburger Abendblatt, lieber Leser? Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Abend mit dem Essener Blatt aus Hamburg!
Hallo Herr Dzubilla,
natürlich pflichte ich Ihnen in Ihrer Bewertung der HA-Aktion bei.
Aber haben Sie schon einmal bedacht, was es für sogenannte „Quiddje“ wie mich bedeutet, von einer Institution wie der größten Hamburger Zeitung zum „Hanseaten“ erhoben zu werden.
Ich vermag Ihnen meine Rührung beim Lesen dieses Briefes kaum zu beschreiben. Nun darf ich mich zu diesem erlauchten Kreis dazuzählen.
In diesem Sinne wünsche ich ein schönes Wochenende
Wolfgang Schrimpff
Für alle Nicht-Hanseaten: “Als Hanseat wird historisch ein Mitglied der Oberschicht der drei Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck in der Zeit nach der Hanse bezeichnet, also seit Mitte des 17. Jahrhunderts.” (Wikipedia)
Hallo Quiddje Schrimpff,
ein Tipp von einem Butenhamburger: wenn Sie die Geschichte der Hanseaten verfolgen, haben diese eigentlich immer nur das gemacht was für sie selbst gut ist. Der letzte Coup war z.B. die Windmesse in Husum!
Gruß Jürgen Plage