Osterspaziergang in Ahrensburg vor rund 120 Jahren und heute

Gestern, meine lieben Mitbürger, war zwar Ostersonntag, aber vom Eise befreit waren Gärten, Wiesen und Felder noch nicht. Heute dagegen sieht es schon anders aus: Die Sonne strahlt und das Grün des Frühlings regt sich. Also Gelegenheit für einen Ostersparziergang durch unsere Stadt.

Lindenhof: 1900 und 2018

Apropos: Johann Wolfgang von Goethe hat seinen berühmten Osterspaziergang vor rund 250 Jahren gemacht und uns in seinem „Faust“ darüber berichtet. Es ist also schon eine ganze Weile her, aber viele von Ihnen werden die Verse des großen Dichters aus der Schulzeit in Erinnerung haben – siehe unten!

Das Jahr 1900 ist dagegen noch nicht ganz so lange her, aber niemand von Ihnen wird sich daran erinnern. Darum stelle ich zu einem damaligen Osterspaziergang ein Bild von Ahrensburg aus dem Jahre 1900, nämlich das Hotel Lindenhof. Dorthin haben damals unsere Großeltern mit ihren Eltern einen Osterspaziergang gemacht, um in dem Restaurant von Gastwirt Kröger gemütlich Kaffee und Kuchen zu genießen. Und Parkplatzprobleme gab es zu dieser Zeit noch nicht. 😉

Darunter sehen Sie ein Foto, auf dem wir den Lindenhof bei unserem heutigen  Osterspaziergang sehen. Es ist kein Lindenhof mehr, weil die Linden dort abgeholzt wurden. Und gebaut wird hier zur Zeit das Ahrensburger Kolosseum, das die Bürger der Stadt nicht benötigen.

Klar, dass man im nostalgischen Rückblick die Gegenwart nicht in die Vergangenheit zurückdrehen kann. Alles verändert sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte. Aber es bleibt die Frage des Bürgers: Warum musste man auf dem Lindenhof derart extrem vorgehen? Was haben wir Ahrensburger davon? Geld…? Prestige…? Oder nur ein neuerliches  Bild der Zerstörung unserer Stadt…?

Osterspaziergang vor rund 250 Jahren

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!

(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)

 

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht am 2. April 2018

9 Gedanken zu „Osterspaziergang in Ahrensburg vor rund 120 Jahren und heute

  1. Spaziergänger

    Osterspaziergang 2018

    Und der Bürger blicket stumm
    auf dem Lindenhof herum.
    Und er denkt bei seiner Qual
    an sein Quittungs-Kreuz zur Wahl. 🙁

  2. Stiller Beobachter

    Ahrensburg hat doch einen Bürgerverein, oder? Interessiert es diese Bürger nicht, was in Ahrensburg passiert? Warum äußert dieser Verein sich nicht öffentlich? Wollen die nur ihr Vereinsleben mit Kaffee und Kuchen und die Stadtentwicklung geht ihnen am Arm vorbei?

    1. Harald Dzubilla Artikelautor

      Es gab auch mal den Verein “Bürger für Ahrensburg”. Der hat so gut wie nix erreicht und löste sich dann selber auf. Eine bürgerliche “Opposition” gibt es in unserer Stadt nicht. Zwar engagieren Bürger sich für viele gute Zwecke, nicht aber für die Stadtentwicklung. Das überlassen sie der Verwaltung, den Politikern und den Investoren. Auch ballen nicht wenige Ahrensburger angesichts der Bebauung ihrer Stadt die Fäuste, aber nur in den eigenen Taschen.

  3. Fritz aus Ahrensburg

    Die Parteien interessieren sich nicht für die Meinung der Bürger. Sie stellen uns vor der Wahl ein Wahlprogramm mit tollen Vorsätzen vor und machen nach der Wahl etwas völlig anderes. Weder die Bebauung des Lindenhofs noch der Alten Reitbahn kam in einem der Wahlprogramme vor.

  4. Kassandra

    Bitte mal ganz ruhig bleiben, Leute! In das “Ahrensburger Kolosseum” soll doch auch ein Café kommen, sodass wir hier dann schon im kommenden Jahr bei unserem Osterspaziergang dort Kaffee & Torte genießen können. Und wer keine Kutsche nehmen will, der kommt eben mit der Eisenbahn.

  5. Anna Konda

    Wer in Ahrensburg in Bahnhofsnähe wohnt, der kann ja ausspannen, und zwar in einer Ferienwohnung im Franzosenweg. Dieser Weg liegt in Schwerin, und die Wohnlage dort ist 1 a. Und wer eine Bleibe im Franzosenweg hat, der will seinen Lebensabend garantiert nicht im verbauten Ahrensburg verbringen, sondern den Ruhestand mit Pension viel lieber am Schweriner See genießen – nach ihm die Sintflut in Ahrensburg, einer “Stadt für alle” (SPD).

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