Es ist beschämend ist, dass in Ahrensburg nur rund jeder dritte Einwohner zur Stichwahl des Bürgermeisters gegangen ist. So haben sich der Bürgervorsteher genauso geäußert wie der Kandidat Hansen und der Blogger Dzubilla. Dieses “beschämend” gilt für mich für die Tatsache als solche, nicht aber in toto für alle Bürger, die von ihrem Recht der Wahlverweigerung Gebrauch gemacht haben. Denn viele von ihnen haben Gründe, die beschämend sind, und zwar für Verwaltung und Politik.
Ich bringe dieses Thema heute noch einmal, weil mich der Brief des Bürgers Hans-Hartmut Neitzke erreicht hat, den dieser an Jörg Hansen gerichtet und an Szene Ahrensburg zur Veröffentlichung freigegeben hat. Was ich gern tue, und zwar ohne weiteren Kommentar, denn den können Sie dazuschreiben (ja, auch Sie, Herr Hansen! 😉 ).
Sehr geehrter Herr Hansen!
Am Abend der Ahrensburger Bürgermeisterstichwahl haben Sie auf Ahrensburg-TV geschrieben: Zitat: „Die Ahrensburger genießen lieber die letzten Sonnenstrahlen als wählen zu gehen. Ich finde das beschämend.“ Zitat Ende.
Schön zu lesen. 16.974 (also 63 % der Wahlberechtigten) Ahrensburger haben Sie also beschämt. Ich bin mir sicher – zumindest weiß ich es von Freunden und Bekannten – dass viele Wähler sich sehr viele Gedanken gemacht haben, was sie wählen sollen. Einige haben sich wohl zum Nichtwählen entschieden. Ob die über Ihre Aussage erfreut sind?
Eine Wahlwerbung für die Grünen bei der nächsten Stadtverordnetenwahl war diese Aussage von Ihnen ganz sicherlich nicht. Ich habe den Eindruck, es wird modern, über die Nichtwähler zu schimpfen.
Es mag ja sein, dass viele Wahlberechtigte kein Interesse an Politik haben, an Kommunalpolitik schon gar nicht. Muss man sie dann aber gleich ins Abseits stellen? Ist das beschämend?
Es mag sein, dass viele Bürger in unserer heutigen Zeit einfach nicht die Gelegenheit und Muße haben, sich ruhig und gewissenhaft über Kommunalpolitik zu informieren. Wenn sie sich dann entscheiden, nicht zu wählen, ist es doch verantwortungsvoller, als nach Oberflächlichkeiten (Plakate, Gesichter, kurze Wahlslogans) eine Entscheidung zu treffen. Ist das beschämend?
Viele Bürger und Wahlberechtigte sind gelinde gesagt über das Geschehen in der Politik verzweifelt. Ich glaube, dass Herr Bellizzi von der FDP am Wahlabend auf Ahrensburg-TV sehr vernünftig zu diesem Thema gesprochen hat. Vielleicht hören Sie sich das noch einmal an.
Und nun zu mir. Sie wissen, dass ich bis vor sechs Jahren regelmäßig in Stadtverordnetenversammlungen und Bauausschusssitzungen war. Ich hatte es dann aufgegeben, weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Es gab zu viele Situationen, die mich fast zur Verzweiflung gebracht hatten. Als es z.B. um den damals geplanten Bau des neuen Peter-Rantzau-Hauses und das Fällen vieler alter Bäume ging, hatte ich an alle Stadtverordneten einen Brief geschrieben. Ich glaube es waren damals 34 Abgeordnete. Und jetzt raten Sie mal, wie viele Antworten ich bekommen habe. —
Es war eine (in Worten: “EINE” ) Antwort von einer FDP-Abgeordneten.
Keine Antwort von der CDU.
Keine Antwort von der SPD.
Keine Antwort von der WAB.
Und auch keine Antwort von den Grünen.
Dabei hätte mir eine einzige Antwort jeder Partei und auch nur ein Dreizeiler (Danke für Ihren Brief und Ihre Anregungen, wir werden darüber beraten) schon gereicht. Aber nein, die Meinungen und Anregungen von Bürgern sind eher unerwünscht und lästig. Wenn Bürger sich dann von der Politik verabschieden, dürfen Sie sich nicht über Wahlenthaltung wundern.
Und trotz allem habe ich bei der Hauptwahl am 27.09. Sie, Herr Hansen, gewählt, weil ich überzeugt war, dass Sie der bessere der drei Kandidaten war. Insbesondere Ihr Einsatz für bessere Radverkehrssituationen war dabei ausschlaggebend.
Ja – und jetzt gestehe ich – bei der Stichwahl war ich das erste Mal in meinem Leben ein Nichtwähler. Warum?
Herr Sarach war für mich nicht wählbar, weil er sich in der Verwaltung nicht durchsetzen kann. Beweis gefällig?
Am 24.07. und am 29.07. maile ich an den Bürgermeister und weise auf Mängel und Fehler in der Verkehrsregelung Beimoorweg hin (Verstoß gegen verschiedene Punkte in der Verwaltungsvorschrift). Passiert ist bis heute nichts (außer einer unbefriedigenden Zwischenantwort von Herrn Schott). Die Gefahr auf der Straße besteht weiter. Einzelheiten können Sie nachlesen in einem Blog-Kommentar auf Szene-Ahrensburg, 2. Kommentar.
Herr Conring war für mich nicht wählbar, weil er sich nicht einmal in seinem eigenen CDU-Ortsverband durchsetzen konnte, die Satzung der Landes-CDU einzuhalten. Wie will er sich dann bei den Mitarbeitern in der Verwaltung durchsetzen. Beweis? Eine Mail von Herrn Conring liegt mir vor.
Und nun sagen Sie mir bitte, wen hätte ich wählen sollen?
Eine kleine Hilfestellung: Stellen Sie sich vor, Sie wollen sich einen Hut kaufen und gehen in ein Geschäft. Es gibt nur zwei Hüte, aber keiner gefällt Ihnen. Welchen wählen Sie? – Genau: keinen.
Es tut mir leid, dass ich Sie beschämt habe.
Hans-Hartmut Neitzke
PS: Ich habe Herrn Dzubilla gebeten, diesen Brief auf Szene-Ahrensburg zu veröffentlichen.
Hallo, Herr Dzubilla,
Herr Neitzke hat unsere Situation sehr gut beschrieben . So gut kann ich es nicht. Er hat mich an das P-R-Haus erinnert mit dem Fällen der Bäume. Angeblich war es damals unmöglich, bei dieser Art der Vergabe den Baukörper um drei Meter zurückzuversetzen. In Barsbüttel (????) war dies beim Bau des Feuerwehrhauses bei gleicher Vergabe durchaus möglich. In Ahrensburg ist man beim Baumschutz blind. Was machen die vielen Frischholzstämme auf dem Parkplatz hinter dem 42? Wo kommen sie her? Die Presse notiert das nicht. Sie ist auch blind und reagiert nicht auf Hinweise. Warum wurden zwei jugendliche Bäume in 0,6 Meter Höhe vor der Sparkasse abgesägt??? Zahnstocher für den Schlosskeller? Warum wurde ein mächtiger Baum am Rand der Baustelle neben der Sparkasse gefällt? Es interessiert keine Verantwortlichen. Warum soll es mich interessieren? Ich werde gleichgültig. Es gibt menschlich Wichtigeres.
Ich war jedenfalls am Sonntag kurz nach 8:00 zur Wahl und habe das bessere Übel gewählt. Vielleicht hätte ich doch verstärkter an Frau Pauli herantreten sollen. Zweimal habe ich mit ihrer Mutter in Bayern gesprochen. Auf Sylt konnte man mich angeblich nicht vermitteln. Ich hätte für sie Plakate geklebt. Möglicherweise wäre sie an der Ahrensburger Geschichte mehr interessiert gewesen als unser Herr Sarach. Sicherlich hätte sie den Bekanntheitsgrad gehabt, um Ahrensburg in der Verwaltung und auch in der Politik ohne Existenzfurcht aufzumischen. Ein Sprungbrett nach Hamburg. Aber warum soll ich mir noch Gedanken machen????? Ich muss anfangen, meine Wehwehchen zu pflegen. Ein bekanntes Ehepaar hat sich für das betreute Wohnen als Neustart entschlossen – ohne Verpflichtungen. Unendliche Freiheit.
Vielen geht es offenbar so. Nur 20 % der Ahrensburger Wahlberechtigten hat Sarach als Bürgermeister gewählt. Eigentlich müsste er ehrhaft und beschämt sein Amt aufgeben.
Mit lahmen Grüßen
Wolfgang König
Hallo Herr Neitzke,
Ich finde Ihren Beitrag sehr, sehr lesenswert. Demgemäß ist das Verhältnis aller Parteien und aller drei Bürgermeisterkandidaten zum Wahlvolk als unter ” Ferner liefen ……” einzuordnen.
Beste Grüße
Thomas H.
Hallo Herr Dzubilla,
ich möchte darüber informieren, dass Herr Hansen mir persönlich geantwortet hat. Er bat mich, seine Mail nicht öffentlich zu machen.
Selbstverständlich respektiere ich seinen Wunsch.
Hans-Hartmut Neitzke
Hallo Herr Neitzke –
allein, dass Herr Hansen seine Mail nicht öffentlich machen will, spricht nicht für ihn. Lieber lässt er die Vorwürfe gegen sich öffentlich im Raum stehen.
Der Brief von Herrn Neitzke belegt, dass die politische Unreife, die den Bürgern von Seiten der Politiker gern unterstellt wird angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung, eher bei den Politikern selbst anzusiedeln ist.
Der beste Beleg dafür bietet die Wahl selbst. Ursprünglich waren CDU, WAB ,Grüne und FDP einhellig der Meinung, dass die Zusammenarbeit mit dem Amtsinhaber nur schwer oder gar nicht funktioniert , und dass es sinnvoller sei, wenn ein Amtswechsel stattfinden würde. Wenn man bedenkt, dass diese politischen Gruppierungen fast 75% der Sitze in der Stadtverordneten versammlung innehaben, sollte man doch meinen, dass es damit leicht möglich sein müsste, einen Amtswechsel herbeizuführen. Doch weit gefehlt: Statt dafür Sorge zu tragen, dass parteiübergreifend ein gemeinnsamer Kandidat aufgestellt wurde, traten ein CDU-Kandidat und ein Kandidat der Grünen mit fast identischen Wahlprogrammen gegeneinader an. Da brauchte der Amtsinhaber doch nur noch zu beteuern , dass er die gleichen Ziele hat wie die anderen beiden Kandidaten, und schon hatte er die Wiederwahl in der Tasche.
Britta S.