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Neues aus Schilda: (Plakat-)Anschlag auf öffentliche Haushaltsmittel
In unserer Stadt waren Plakate zu sehen. Darauf die Köpfe prominenter und weniger prominenter Bürger und eine gar nicht prominente Studentin. In meiner Eigenschaft als „namhafter Werbekritiker“ (Zitat: SPIEGEL) habe ich unter meinem in der Medienbranche bekannten Pseudonym „Spießer Alfons“ folgenden Beitrag im Marketing- und Medien-Blog www.off-the-record.de veröffentlicht:
„Unsinnige Werbung kann dem Spießer im Grunde schnurzpiepegal sein, denn es ist ja schließlich nicht seine Kohle, die dabei verheizt wird. Im folgenden Fall jedoch ist es anders. Denn bei dem Plakat, das Alfons hier aufspießt, ist der Spießer finanziell beteiligt, da er ein Steuerzahler ist, der in Ahrensburg wohnt und arbeitet. Und dort wurde soeben ein Anschlag auf die Bewohner verübt. Mittels Plakat – siehe die Abbildung!
Wir sehen im Bilde einen ehemaligen Mitarbeiter der ehemaligen Hamburger Werbeagentur Lintas, nämlich Horst Schroth, der schon lange ein berühmter Kabarettist ist und von Spießer Alfons sehr geschätzt wird. Und nämlicher Horst Schroth ist Neubürger der Stadt Ahrensburg.
Die Stadt Ahrensburg wirbt nun also mit dem Plakat, auf dem Horst Schroth den Reiseteil einer Zeitung liest. Und darunter steht: „Schön zu Hause zu sein…“ Ohne Komma hinter “schön” meint das: Der Mann ist schön und zu Hause.
Im Kleingedruckten, das auf Plakaten selten gelesen wird, steht in versalen Lettern: „AHRENSBURG – ENTSPANNUNG INKLUSIVE“. Und darunter folgt ein Zitat des Kabarettisten Schroth und also lautend: „Termine und Auftritte das ganze Jahr hindurch machen mich zum Reisenden. Aber wieder angekommen in Ahrensburg, bin ich zu Hause.“
Hä…? Was ist das für eine Feststellung: Wenn ich wieder nach Hause komme bin ich zu Hause. Klar, wo bin ich denn sonst?!?
Würde auf dem Plakat stehen: “Ich habe einen Wohnsitz in München, ein Haus in Hamburg und eine Finca auf Mallorca – aber zu Hause bin ich in Ahrensburg”, dann würde diese Aussage wenigstens Sinn machen. So aber macht sie Unsinn.
Das Plakat soll für Schilda Ahrensburg werben. Und wo steht die Plakatsäule? Vielleicht im benachbarten Hamburg und in angrenzenden Gemeinden…?
Ne, das Motiv wird in Ahrensburg plakatiert. Um den Bürgern zu sagen: Wenn sie nach Ahrensburg kommen, sind sie zu Hause. Was den Hamburgern, sollten die mal nach Ahrensburg kommen, natürlich nicht so geht: Wenn die nach Hause kommen, sind sie in Hamburg.
Ja, wenn die Bürger von Schilda sich in Werbung versuchen, dann werben sie nicht um oder für andere, sondern an und für sich.“
So weit, so schlecht. Dann las ich im „Hamburger Abendblatt“, Beilage „Stormarn“, dass die Stadt Ahrensburg für diese Kampagne 30.000 Euro ausgegeben hat. In Worten: dreißigtausend Euro! Um Ahrensburgern zu sagen, dass sie gern in Ahrensburg wohnen (Befragung: 2007). Daraufhin schrieb ich einen Brief an die stellvertretende Bürgermeistern, Frau Philipp-Richter, die im selben Zeitungsbericht behauptet: „Die Bürger haben sich durchweg positiv über die Kampagne geäußert.“ Und ich machte Frau Philipp-Richter auf den Unsinn dieser Plakate aufmerksam und wollte erfahren, wer die Stadt eigentlich in Sachen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit berät. Dazu habe ich meine Meinung klar geäußert: Für mich ist die Kampagne eine Veruntreuung von Steuergeldern. Außerdem wollte ich wissen, ob die Stadt die Werbung auf Citylight-Plakaten nicht gratis bekommt, weil die Säulen in anderen Städten für Belange der Stadt kostenlos genutzt werden können.
Die Reaktion aus dem Rathaus
Von Frau Philipp-Richter, die Bürgermeisterin werden möchte, erhielt ich keine Antwort. Stattdessen kam ein Brief von Ursula Pepper, die jetzt scheinbar als Vorzimmerdame von Frau Philipp-Richter tätig ist. Frau Pepper schreibt:
„Vielen Dank für Ihr Schreiben an die stellvertretende Bürgermeisterin. Frau Philipp-Richter hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Die Imagekampagne der Stadt Ahrensburg ist Teil des Stadtmarketing-Gutachtens der Firma CIMA und wurde im Rahmen der Einwohnerversammlung um 11. 07. 2007 der Öffentlichkeit präsentiert. Die politischen Gremien der Stadt haben die Empfehlungen des Stadtmarketing-Gutachtens beschlossen und die entsprechenden Haushaltsmittel für die Kampagne bewilligt.
Da sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lasst, habe ich keine Veranlassung, Ihre gestalterischen Einwände zu kommentieren.“
Dazu folgende Anmerkungen:
Ich habe ausschließlich sachliche Argumente angeführt, keine Geschmacksfragen. Auf keines meiner sachlichen Argumente ist Frau Pepper eingegangen. Und am 11. 07. 2007 lagen meines Wissens weder ein Mediakonzept für die Kampagne im Jahre 2009 vor, geschweige denn Entwürfe für die Plakate. Die Stellungnahme der Bürgermeisterin ist also wieder mal echt tierisch, nämlich für die Katz’.
Frage: Muss die Stadt einen solchen Auftrag für Werbung nicht öffentlich ausschreiben, damit viele Werbeagenturen die Möglichkeit haben, an einem Gestaltungswettbewerb teilzunehmen? Welche Agenturen haben sich beworben? Und aus wie vielen Entwürfen wurde die Entscheidung gefällt für die betreffenden Plakate...?
Wie man dem „Stormarner Tageblatt“ entnehmen kann, wurde für diese 30.000-Euro-Kampagne überhaupt keine Werbeagentur beauftragt. Sondern man lese, staune und versuche, es zu glauben:
„Die Idee und den Auftrag für die Kampagne hatte Katharina Baumann, Studentin Mediendesign, für die Grafik zeichnet der Kark Baddem, ebenfalls Student verantwortlich.“
Wie bitte...? Die Stadt vergibt den Auftrag für eine Werbekampagne nicht an eine Werbeagentur, sondern an Studenten...? Und die auf einem Plakat abgebildete Studentin Elisabeth Baumann – eine zufällige Namensgleichheit mit Katharina Baumann...? Außerdem bemerkenswert: Man fand offensichtlich keinen Ahrensburger Mitbürger, der sich gratis für ein Foto zur Verfügung gestellt hat, sondern es wurden laut „Markt“-Bericht bis zu 1000 Euro pro Person als Honorar bezahlt!
Und für die Fotos wählte man nicht etwa einen Ahrensburger Fotografen, oh nein! Das „Stormarner Tageblatt“ berichtet: „Für die Bilder beauftragte die Stadt den Fotografen Martin Geisler aus Oberstdorf, der zwischen Terminen in Berlin und London zum Shooting nach Ahrensburg kam. Fotografiert wurde im Schloss.“
Mein persönliches Fazit:
Wir leben in einer Zeit, wo die Menschen ängstlich in die Zukunft schauen. In der Stadt Ahrensburg gibt es viele gemeinnützige Institutionen, die dringend Geld benötigen. Wir haben hungernde Kinder in unserer Stadt, und die Ahrensburger Tafel, wo die Ärmsten von ehrenamtlichen Helfern beköstigt werden, braucht finanzielle Mittel. Und die Stadt unter Leitung der Verwaltungschefin Ursula Pepper gibt 30.000 Euro aus, um Ahrensburgern zu sagen, dass sie gern in Ahrensburg leben, weil eine alte (vielleicht gar nicht mehr aktuelle Untersuchung) das ergeben hat. Das hat mit der Entscheidung der politischen Gremien, für Ahrensburg vernünftige Werbung zu machen, gar nichts zu tun. Denn die Vernunft blieb auf der Strecke, starb im Dilettantismus zweier Studenten.
Das ist nicht witzig, Frau Pepper, das ist traurig. Und hat mit Geschmack absolut nichts zu tun. Weil es einfach geschmacklos ist.
Samstag, 28. Februar 2009