Wer ein Blog im Internet betreibt, über dem hängt ein Damoklesschwert. Und dieses Schwert schwingen Rechtsanwälte, die das Internet durchforsten, um dort zu schnüffeln, ob vielleicht irgendjemand irgendwo gegen das Urheberrecht verstoßen hat oder auch nur haben könnte. Und weil viele Menschen nicht wissen, dass sie z. B. fremde Fotos nicht so ohne weiteres in ein Blog oder auf eine Facebookseite stellen dürfen, da sind diese Leute ein gefundenes Fressen für Abmahnungsanwälte. Und eine solche Hamburger Kanzlei hat mir kürzlich ein Schriftstück übermittelt inkl. Rechnung über 245,95 Euro.
Was habe ich angeblich Unrechtes getan, um diesen Gesamtbetrag zahlen zu müssen? Als Corpus Delicti weisen die Anwälte auf die nebenstehende Abbildung hin, die ich ungefragt von BILD online übernommen habe, Das habe ich vor über zwei Jahren (!) in einem Blog-Eintrag veröffentlicht. Und das Bierglas-Foto auf dieser Abbildung stammt von Picture-Alliance GmbH, einer Tochter der seriösen Deutschen Presse-Agentur (dpa). Und die Bildagentur hat angeblich die hanseatische Advokaten-Kanzlei ksp. beauftragt, das Inkasso bei mir vorzunehmen, wozu ich von einer dort ansässigen Anwältin ein dreiseitiges Schriftstück mit 1001 Erläuterungen erhalten habe.
Ich habe die Anwälte im Briefkopf der Anwalts-GmbH gezählt. Und es ist schon beeindruckend: 23 (dreiundzwanzig) Rechtsanwälte sind in dieser Firma im Einsatz – siehe die Abbildung rechts! Klar, da müssen viele juristische Mäuler gestopft werden, weshalb man denn auch versucht, „Rechtsanwaltsvergütung“ einzutreiben. Aber genau diesbezüglich sind die Advokaten bei mir an der falschen Zahlungsadresse.
Leider ist es nicht ratsam, solche Schreiben unbeantwortet in die Rundablage zu werfen, weil die Anwälte sonst womöglich auch noch auf den Trichter kommen könnten, nach einer Mahnung einen Zahlungsbefehl zustellen zu lassen, der neben allem Ärger auch den Streitwert bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung erhöhen würde.
Also habe ich geantwortet. Und wenn Sie auch schon mal ein Problem mit einer Abmahnung wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Urhebergesetz bekommen haben, dann wird es Sie vielleicht interessieren, wie ich in meinem Fall darauf reagiert habe. Bitte sehr:
Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin –
Ihr dreiseitiges Schriftstück vom 09.12.2020 habe ich erhalten. Ich entnehme dem Inhalt:
Die Deutsche Presse Agentur (dpa) will einen Privatmann abkassieren, der auf seinem Hobby-Blog, einen Fotoausschnitt veröffentlicht hat, der als Beiwerk in einem Beitrag der BILD-Zeitung gestanden hat, welcher der eigentliche Gegenstand für den Eintrag gewesen ist.
Das glaube ich nicht. Umso weniger, weil mir bekannt ist, dass heutzutage viele Fake-Mahnungen kursieren, die von unseriösen Kanzleien massenhaft verschickt werden in der Hoffnung, dass man damit unwissende Privatpersonen zu Zahlungen bewegen kann. Und deshalb bitte ich Sie um Vorlage Ihrer Bevollmächtigung der Picture-Alliance GmbH, die Sie beauftragt hat, gegen mich persönlich und speziell gegen die betreffende Abbildung aus der BILD-Zeitung vorzugehen.
Da ich davon ausgehe, dass Ihre GmbH eine seriöse Anwaltskanzlei ist, denke ich, dass Sie wissen müssten, dass es bei möglichem Schadenersatz auch auf die Gestaltungshöhe eines Fotos ankommt. Und hier unterstreicht das Urhebergesetz deutlich, dass eine besondere schöpferische Leistung nötig ist, um einen vollen Schutzumfang geltend zu machen. Bitte erläutern Sie mir, worin diese besondere schöpferische Leistung bei dem betreffenden Fotoausschnitt besteht, die einen vollen Schadenersatz begründen soll, den Sie von mir fordern.
Wie Sie außerdem wissen werden, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe zu sehen sind. Und genau das ist im vorliegenden Fall zweifelsohne die Sachlage.
Kurzum: Die Übernahme des Fotos ist nach § 51 Satz 2 Ziffer 2 UrhG als Zitat gerechtfertigt.
Mit freundlichen Grüßen – Harald Dzubilla
Und nun überlege ich, ob ich nicht die Anwälte anzeigen sollte, um damit ein Exempel zu statuieren. Eine Anzeige wegen schriftlicher Drohung und Nötigung. Weil Frau Rechtsanwältin mit ihrer Vorgehensweise offensichtlich einen naiven Bürger überrumpeln wollte. Also so einen, der auch am Telefon auf den berühmten Enkeltrick hereinfällt und die Kohle von seinem Konto schaufelt, um sie einem Gauner in den Sack zu werfen.
Ich schmeiß mich weg: “Dokumentationskosten EUR 85,-” – man staunt, was ein Screenshot kosten kann!
Picture-Alliance ist die Zweit-/Archiv-Verwertung der dpa, der muß es ja ziemlich schlecht gehen. Derartige Gepflogenheiten sind mir sonst nur von der Agentur Getty-Images bekannt, die geht ganz scharf vor, da sind dann auch gern mal vierstellige Beträge fällig.
Wie sieht es denn mit dem Zitatrecht aus? Man bewegt sich heutzutage leider auf ziemlich dünnem Eis.
Halten Sie uns auf dem Laufenden, bitte.