Auf meinem Abreißkalender steht am heutigen Tage ein Spruch, der zu einem Bericht im 3. Buch Abendblatt passt, welcher überschrieben ist: „’Wunderheilerinnen’ in Glinde“, wobei der Plural nicht korrekt ist. Und der Kalenderspruch dazu lautet: „Wir wissen meist recht genau, was wir tun, aber nicht immer, was wir anrichten.“ (Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger)
Der Fall ist schnell erklärt: Eine Betrügerin gab sich als Wunderheilerin aus und hat mit Hilfe einer Helfershelferin eine 65jährige Frau in Glinde reingelegt. Die Frau war zur Bank gegangen, um der angeblichen Wunderheilerin einen fünfstelligen Geldbetrag – also mindestens 10.000 Euro in bar – zu geben, den die Betrügerin in ein „heiliges Handtuch“ gewickelt hat, um die Frau damit von einer Krankheit zu befreien. Erst am nächsten Tag, als die Frau ihr Vermögen wieder zurück zur Bank bringen wollte, stellte die Dame fest, dass ihr Geld nicht mehr in dem Tuch gewesen ist, sondern nur Falschgeld.
Ich kenne die Geschädigte nicht, habe also keine Ahnung, ob sie möglicherweise gar nicht geschäftsfähig ist oder sich bloß naiv und dumm gezeigt hat. Ich weiß aber, dass Trickbetrüger ihr schräges Handwerk verstehen; und wenn ein Mensch im Alter ernsthaft krank ist, dann greift er nicht selten nach jedem Strohhalm.
Ich kenne genauso wenig die Bank, die dieser Frau mindestens 10.000 Euro in bar gegeben hat, ohne sich darüber Gedanken zu machen und Verdacht zu schöpfen. Welche Kundin hebt plötzlich eine Summe in dieser Größenordnung ab, wenn sie das zuvor vielleicht noch niemals getan hat?! Und da die Frau das Geld bestimmt nicht aus einem Automaten gezogen hat, sollte ein Reporter mal in die betreffende Bank gehen und sich dort erkundigen, ob man keine Sorgfaltspflicht verspürt, und zwar besonders gegenüber Kunden im Rentenalter!
Für mich trägt die Bank eine Mitschuld bei dem Betrug an der Frau. Es wäre in meinen Augen angebracht, dass die Bank ihrer Kundin wenigstens einen Teil des Geldes ersetzt – wenn schon nicht aus Gründen der Haftung, dann doch wenigstens aus Gründen der Moral.