Auf den ersten Blick vermittelt das Foto den Eindruck: Ein Verkäufer in der Holzhandlung Wulf beim Resteverkauf. Aber die Überschrift des Beitrages im 3. Buch Abendblatt lässt viel, viel Schlimmeres ahnen: „Künstler schafft Erkenntnisbühne“ ist dort gedruckt – siehe die Abbildung aus der Hamburger Zeitung von diesem Wochenende!
Wenn Sie sich heute einmal so richtig schön beeumeln wollen, meine lieben Mitbürger, dann lesen Sie mal, was eine Poetin mit dem Namen Elvira Nickmann dort zu den „faszinierenden Installationen“ von Armin Chodzinski gedichtet hat, die von der Sparkassen-Kulturstiftung in der Galerie am Marstall geholt wurden! Soviel sprachliches Lametta auf einem Haupte – das klingt weniger nach Lorbeer für den Künstler, das klingt für mich schon fast wie eine satirische Betrachtung.
Aber ich bin ja selber nur ein Kunstbanause, wie Sie wissen. Und deshalb zitiere ich aus dem 3. Buch Abendblatt die verquasten Worte der Dichterin Elvira Nickmann und also lautend:
“Der frühromantische Wanderer über dem Nebelmeer als Metapher einer Welt, die im Verborgenen liegt und sich dem Zugriff, dem Erfassen entzieht. Noch mehr Assoziationen ergeben sich, sobald die gebrochenen Strukturen der Eismeerschollen dazu ins Verhältnis gesetzt werden. Sinnhaftigkeit versus Sinnlosigkeit, mittendrin die Linie auf Holz und Papier als verzweifelter Versuch der Erkenntnisgewinnung: Die Arbeiten des Künstlers atmen Tiefe, er dringt damit in Strukturen, Denkweisen und Konzepte vor, durchbricht und stellt sie infrage.“
Was denken Sie bei sich, wenn Sie solchen Erguss auf das Haupt des Künstlers lesen? Aber warten Sie noch ein wenig ab mit Ihrem Denken und lesen Sie erst mal weiter im Text:
“Die grafische Linie beginnt bei A und endet bei B”, sagt Chodzinski. Eine nur vermeintlich sichere Sache, die Übersichtlichkeit in einem mentalen Kosmos verspricht. Doch trotz des universalen Wunsches, Dinge und die Welt zu strukturieren, sei eines ganz klar: Der Mensch könne die Probleme, die der Turbokapitalismus verursache, faktisch nicht ignorieren, lautet Chodzinskis Überzeugung.“
So, und an dieser Stelle einfach mal tief Luft holen und dann weiterlesen, was Elvira Nickmann in nebelhaften Worten fabuliert, und zwar:
„Der Nebel stehe als Synonym für “Dampfplauderer”, die den Blick vernebeln und mit vielen Worten die Dinge “verunklären”. So vielschichtig wie seine Sprache sind auch die Installationen des Künstlers, die den Ausstellungsraum füllen wie Inszenierungen eines Bühnenbilds. Dass die Anordnung der Exponate nicht nach festgelegtem Plan sondern mittels Schaffensprozess erfolgte, lässt sie wie gleichsam organisch in den Raum hineingewachsen erscheinen.“
Vielleicht liegen Sie an dieser Stelle schon flach auf dem Boden und halten sich vor Lachen den Bauch. Aber halt – es geht noch weiter und zwar mit folgenden Worten:
„Fahnen, Vasen, Zeichnungen, Texte, Sound, Altar, Objekte und die auf dem Boden aufgeschichteten Erdhügel: Sie können allegorisch gelesen werden als Symbole von Sehnsucht, Befindlichkeit oder Hoffnung – oder eben auch nicht. Chodzinski lässt Freiheit, die Kausalität zwischen Mensch und dem ihn umgebenden Raum selbst auszuloten. Über die Schnittmenge von Kunst, Gesellschaft und Ökonomie könnte er stundenlang erzählen – oder lieber seine Arbeiten für sich sprechen lassen. Armin Chodzinski verfügt über reiche Möglichkeiten des differenzierten Ausdrucks und erweist sich im Gespräch als kluger Denker, der seine Worte wohl abwägt und es sich zu eigen gemacht hat, sich selbst und das Ergebnis seines Schaffens immer wieder zu hinterfragen.“
Und dann zieht die Schreiberin ihr Fazit, das den Abendblatt-Leser heute zuhauf in den Marstall treiben wird:
„Der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn ist mit dieser Ausstellung ein Glücksgriff zu ihrem Jahresthema “Linie-Netz-Verbindung” gelungen.“
Ich schlage vor, der Dichterin Elvira Nickmann für diesen ihren Beitrag einen Kulturpreis zu verleihen, und zwar den Goldigen Windbeutel der Sparkassen-Kulturstiftung mit eingelegtem Lachsack!
Nach dieser tollen Vorankündigung wird es im Marstall gleich rappelvoll sein. Da es draußen kalt ist, hoffe ich, dass die Warteschlangen vor der Tür nicht allzu lang sind. Wenn der Künstler auch anwesend ist, werde ich mir eines seiner Werke signieren lassen. Und wenn Elvira Nickmann ebenfalls anwesend ist, dann werde ich sie um eine Interpretation ihrer Interpretation bitten, da ich nicht alles verstanden habe. Sehen wir uns dann gleich im Marstall, Herr Dzubilla?